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Die Visitation als Dokumentationsquelle und Spiegelbild der damaligen Zeit


Weihbischof Georg Michael Wittmann
Emmeram H.: Weihbischof Georg Michael Wittmann als Generalvisitator für das Bistum Regensburg, 1992.
Herausgegeben von der Abteilung für Selig- und Heiligsprechungsprozesse beim Bischöftlichen Konsistorium für das Bistum Regensburg

Wenige Tage vor dem Hinscheiden des Regensburger Bischofs Dr. phil. Dr. h. c. Georg Michael Wittmann am 08. März 1833 berichtete der Apostolische Nuntius für das Königreich Bayern in München an Seine Heiligkeit Papst Gregor XVI. „Wittmann könne ob seiner großen Tugenden und seines Wissens mit Recht als eine der ersten Leuchten des deutschen Sprachraums angesehen werden“. Nach über einhundertjähriger Vorbereitung wurde für Wittmann [1], der im Rufe der Heiligkeit gestorben war, am 7. März 1955 der Seligsprechungsprozess eingeleitet.

Wittmann hat in den Jahren 1829 bis 1832 als Generalvisitator die Pfarreien des Bistums Regensburg besucht und einige Synodalkonferenzen gehalten. Durch Wittmanns Visitationen werden die Situationen in den 252 Seelsorgestationen in der Diözese mit ihren Gläubigen im Spiegelbild der damaligen Zeit zu einer wichtigen Dokumentationsquelle. Hier werden religiös-sittliche Probleme im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts aufgezeichnet, wobei die Auseinandersetzung um das Zölibat besondere Erwähnung findet.

In der Zeit, in welcher Wittmann lebte, bahnte sich bereits als Folge der Aufklärung die Selbstherrlichkeit des Menschen an, der ohne Glaube auszukommen meinte, eine Erscheinung, die im Grunde auch heute eine wesentliche Wurzel für Säkularisierung, Glaubensabfall und Glaubensverlust ist.

Zugleich mit der Ernennung zum Weihbischof übertrug der Regensburger Bischof Johann Nepomuk Wolf, an Georg Wittmann die Aufgabe der Generalvisitation für das Bistum Regensburg. Noch am gleichen Tag, dem 30. Juni 1829 teilte dies der Visitator seinem Geistlichen Rat mit und ließ es am 3. Juli durch den Zirkular, dem Klerus der Diözese verkünden [2]. Reisen war damals kein reines Vergnügen. Die Landstrassen befanden sich zumeist in einem schlechten Zustand, und die Kutschen waren, wenn überhaupt, schlecht gefedert. Zu bedenken ist auch, Wittmann war im 70. Lebensjahr und der Gesundheitszustand war nicht der Beste. Sorge bereitete ihm, er könne den Wirtshäusern und dort den Gebrauch der Betten kaum vermeiden, nachdem er zu Hause nur ein Strohlager benutzte. Und er machte sich auf falsche Brüder, auf Widersprüche der weltlichen Macht und auf eitles Gerede gefasst.

Die Kanonische Visitation (lat. visitatio = Besuch), das heißt der Besuch des aufsichtsberechtigten kirchlichen Oberen, zur Feststellung von Mängeln, mit dem Ziel diese zu beseitigen, hat in der Kirchengeschichte seit jeher ihren festen Platz. Der Visitator hat darüber zu wachen, dass das Wort Gottes in allen Gemeinden seines Sprengels von den zum Gehorsam verpflichteten Priestern richtig und ausreichend verkündet wird. Darüber hinaus hat er darüber zu wachen, dass die katholische Moral, Frömmigkeit und Disziplin, von Klerus und Volk beachtet und tunlichst Förderung erfährt. Im Statusbericht von 1816 wird das Bistum Regensburg in 27 Dekanate unterteilt., eine Ordnung, die auf der Diözesansynode von 1650 festgelegt worden war. Im Jahr 1830 hatte das Dekanat Dingolfing 34 Seelsorgestationen mit 20.391 Seelen.

Wittmann hat bei seiner Visitationsreise unmittelbar die pastorale Situation kennen gelernt. Neben vielen tröstlichen Erfahrungen waren die Klagen über den zunehmenden Verfall, so über den polizeilich geduldeten Besuch der Tanzmusik durch Feiertagsschülerinnen, die Zunahme an unehelichen Kindern und über Verfehlungen einzelner Geistlicher unüberhörbar. Verwirrung im Volke verursachte das ungleiche verhalten der Seelsorger gegenüber den ab gewürdigten Gegenständen wie Feiertage, Prozessionen, Wetterläuten und Segnungen. Das Volk habe infolge der Aufklärung nicht mehr jene Hochachtung gegen den Priesterstand wie vor 20 Jahren. Schuld habe neben dem Volk und den Behörden auch die Geistlichkeit selbst. Viele von den älteren Priestern seien dem Spiele und Trunke ergeben, andere hätten nur Sorgen für die Ökonomie und den Einkünften. Daraus entspringe Zank und Hader oder aber Reichtum, während darbende Arme und verwilderte Kinder in der Gemeinde leben.

Beginn der Visitation

Am Samstag den 11. September 1830 visitiert Wittmann das Kapitel Dingolfing. Zuvor benachrichtigte er den Dekan Ignaz Brandmayer [3], Pfarrer in Adlkofen. Ausdrücklich merkt er an, kein Begleitpersonal mitzubringen. Feierlichkeiten beim Empfang, namentlich Glockegeläute, dürfen nicht stattfinden.

Die Visitation des Kapitels Dingolfing und Frontenhausen war vom 11. bis 18. September 1830. In Begleitung des Domkapitulars Franz Xaver Redl ging es mit Kutscher, Wagen und Pferden auf die Reise in das Gebiet der Isar, Vils, Bina und Rott. Über Adlkofen und Reichlkofen kamen sie an die Vils nach Dietelskirchen. Die Pfarrei hat 379 Seelen, Pfarrer ist Sebastian Langenecker [4], welcher seit dem Mai 1825 hier wirkt. Die Kirche selbst ist reinlich und zierlich, die Sakristei aber hässlich feucht. Die 50 bis 60 Schulkinder haben eine wohlgeordnete aber kleine Schule. Fleißig gehen sie zur Schule. Auch die Feiertagschule wird ordentlich gehalten. Der Pfarrer ist ein kränkelnder Hämorrhoidist und hat wegen dieser Krankheit schon die vierte Pfarrei. Unter den 14 Täuflingen jährlich finden sich etwa zwei uneheliche Kinder.

Die Pfarrei Freyen-Seyboldsdorf hat 280 Seelen, Pfarrer ist Anton Rieger. Von 1815 bis 1818 und 1821 bis 1827 war er hier schon Kooperator, seit dem August 1827 ist er Pfarrer, (1862 Kommorant, + 18.II.1866). In der Pfarrei befindet sich ein Jahrtags-Stiftsbrief vom Jahr 1433. Die 50 Schulkinder haben ein enges Klassenzimmer. Der resignierte 78jährige Pfarrer Nikolaus Kaindl sitzt den ganzen Tag im Stuhl, und kann keine Messe mehr lesen. Pfarrer Buchner aus Binabiburg sagt, dass Pfarrer Rieger manchmal mit seiner Köchin in der Kutsche ausfahre, es gebe bei den Leuten Bemerkungen darüber.

Vitalis Danzer ist Pfarrer und Kammerer der Pfarrei Vilsbiburg, mit 1771 Seelen. Er hat einen merklichen Defekt in Gehör und kann nicht Beichte hören. Es helfen aber die Benefiziaten aus. Vor drei Jahren wurde hier ein neues geräumiges Schulhaus gebaut wo der Pfarrer ein pfarrliches Grundstück zu einem Schulgarten hergab, aber einen Acker von geringerem Werte erhielt. Vom Visitator Wittmann wurde er dafür sehr gerügt, dies ist Minderung der kirchlichen Güter und unterliege schweren Strafen. Es gibt 200 Schulkinder und zwei Lehrer; der Fleiß wird gerühmt. Die Feiertagsschule wird auch gehalten. Unter den jährlichen 60 bis 70 Taufen kommen etwa sechs uneheliche Kinder zur Welt. Die Taufbücher sind vom Kooperator gut eingeschrieben, fangen aber erst 1747 an. Der Visitator besichtigt auch die Marianische Wallfahrtskirche außerhalb von Vilsbiburg auf dem Berge; eine große und wohl eingerichtete Kirche. Die zwei da wohnenden Wallfahrtspriester Georg Herdegen (von 1825-1831 in Vilsbiburg) und Michael Schinnerl (geboren in Vilsbiburg, gestorben am 3.V.1850) sind fleißig im Beichthören. Der gehörlose, aber ansonsten gesunde Priester Wolfgang Röhrl hält sich auch hier auf. Der 74jährige Benefiziat Martin Stöckl gab in Vilsbiburg die Einleitung zu einer Zeitungs-Gesellschaft, welche verschiedene Zeitungen hält, und sich täglich abends im Posthaus versammelt. Seine Köchin ist eine Witwe mit vier Kindern; vor ihrer Verheiratung war sie schon bei ihm. Ihr Mann wurde ermordet. Der Mörder wurde dennoch gerichtlich freigesprochen und hat unlängst ein Schullehramt erhalten. Der Priester Augustin Faltermayer ist dem Blutspeien unterworfen, er ist zu schwach für die Seelsorge. Einige der hiesigen Geistlichen tragen lange Hosen, die bis an die Knöchel reichen. Wittmann macht auch einen Besuch beim Herrn Landrichter Moritz Bram (von 1809 bis 1847 in Vilsbiburg), der mit seiner Frau die zahlreichen Kinder christlich erzieht.

In der 562 Seelen Pfarrei Gaindorf ist Joseph Schifferl seit dem Dezember 1826 Pfarrer. Die Kirche ist alt; es finden sich hier pfarrliche Schriften von 1362; sie ist vermögend und wohl geziert. Die Schule ist für 56 Schulkinder zu klein, die königliche Regierung hat die Erweiterung schon beschlossen. Unter 20 jährlichen Taufen kommen etwa drei uneheliche Kinder vor. Der Pfarrer schreibt in das Taufbuch keine unehelichen Väter ein, als jene die sich selbst angeben und sich als solche hierzu bekennen. Wittmann belehrte den Pfarrer, dass es dem Pfarrer nicht zustehe über Gewissheit der unehelichen Väter nachzuforschen, sondern nur das Angeben der Mutter zu notieren. Der Pfarrer berief sich jedoch auf das königliche Verbot. Zur Köchin hat der Gaindorfer Pfarrer seine Schwester. Pfarrer Buchner aus Binabiburg sagt, dass er in Vilsbiburg im Wirtshaus viel trinke und spiele.

Die Pfarrei Aich hat 1559 Seelen, Pfarrer ist der gebürtige Landauer Joseph Engelhart. In Betreff der Einschreibung unehelicher Väter, macht er es wie der Gaindorfer Pfarrer. Es wird nötig sein hierüber eine Consistorial-Belehrung abzugeben. Unter etwa 65 jährlichen Täuflingen sind nur zwei bis vier uneheliche Kinder. Die Pfarrbücher fangen mit dem Jahr 1647 (Dreißigjähriger Krieg) an. Schulkinder sind hier 60, in Bonbruck und Bodenkirchen jeweils 120. Gelobt werden der Schullehrer und die Schulkinder. Die Kirche hat kein großes Vermögen, aber durch die Wohltätigkeit der Gläubigen ist sie in gutem Stande und wohl geziert. Aus der Dominikanerkirche von Landshut wurde die Orgel gekauft. Der Kooperator Georg Hecht war nach Bonbruck gegangen, wie man dem Visitator sagte, zu einem Kranken. Vom Pfarrer Buchner aus Binabiburg hatte man erfahren, dass er unlängst am Kirchweihfest in Vilsbiburg bis nach Mitternacht im Wirtshaus war und tanzte. Einer, der da spielenden Musikanten sagte dem Pfarrer, dass der Kooperator den Musikanten so schändliche Lieder vorgesungen habe, dass er sich darüber schämte. Im neuerlichen Kirchweihfest in Bonbruck soll er im dortigen Wirtshause bis morgens um vier Uhr getanzt haben, worauf er nach Aich heimging. Der Lehrvortrag bei den pfarrlichen Gottesdiensten in Aich wird sehr vernachlässigt, so berichtet der Binabiburger Pfarrer. Eine Beschwerde erfuhr der Visitator über den in Bonbruck sich aufhaltenden ehemaligen Kanonikus von Altötting Baron von Feuri, dass er an Sonn- und Feiertagen seine heilige Messe nicht ordentlich ordne. Er soll dabei auch das Evangelium vorlesen und einen christlichen Lehrvortrag halten.

Die Erfahrungen, die Wittmann am 13. September 1830 auf seiner Visitation gesammelt hatte, waren keineswegs erfreulich. Umso mehr hat es ihn mit Genugtuung und Freude erfüllt, in Egglkofen und Binabiburg zwei Musterschüler echt katholisch und von priesterlichem Eifer wirken zu sehen: Franz Seraph Häglsperger, den das Volk schon zu Lebzeiten als „Heiligen“ verehrte und in Binabiburg Joseph Buchner, der bestrebt war, den Menschen auch in ihren physischen Gebrechen zu helfen. Am 14. September standen nebst Egglkofen zur Visitation an: Treidlkofen, Binabiburg, Johannesbrunn, Hölsbrunn, Gerzen, Aham und Loizenkirchen.

Egglkofen mit 781 Seelen war bei Pfarrer Franz Seraph Häglsperger. In der Kirche brannte Licht. Alles war reinlich und wohlgeordnet, ebenso in der Schule mit 80 bis 90 Schülern, wie auch die Schüler in der Feiertagsschule. Die Pfarrbücher sind vollständig eingeschrieben. Sie fangen mit dem Jahr 1803 an, denn bis zu diesem Jahr war Egglkofen eine Filiale der Pfarrei Binabiburg. Unter ca. 35 Taufen finden sich etwa sieben uneheliche Kinder. Der Pfarrer ist eifrig, an manchen Festtagen predigt er gleich zweimal. Köchin ist seine Schwester.

Pfarrer Konrad Krapf war Pfarrer in Treidlkofen, mit 307 Seelen, er ist vor drei Wochen gestorben. Auch der Schullehrer ist vor zwei Monaten gestoben, er hielt mit 18 Kindern in seinem Haus die Schule. Nun ist die Pfarrei ohne Pfarrer, Schullehrer und Schule.

Der Schuldistriktsinspektor Joseph Buchner ist Pfarrer von Binabiburg, mit 679 Seelen. Durch die bekannte Frömmigkeit des Pfarrers ist hier eine lautere Gutmütigkeit. Die Schulkinder gehen in beiden vorhandenen Schulen fleißig in die Schule. Es gab im vergangenen Jahr nur ein uneheliches Kind. Bei Binabiburg ist auf dem Berg eine große schöne Salvator-Kirche mit dem Benefiziaten Anton Holzner, einem würdigen Geistlichen (seit 1821 als Benefiziat auf St. Salvator, gestorben in Binabiburg am 15.I.1831). In der Kirche wird das Allerheiligste aufbewahrt, aber ohne Ewiges Licht. In der Pfarrkirche ist das Ewige Licht. Pfarrer Buchner gab sich ehemals mit Exorzismen über Erogumenen ab: wegen gewaltsamen Andranges solcher Leute aber (großteils einbilderischen Leuten) gab er es auf. Er hat die Überzeugung, dass der böse Geist bei sehr vielen physischen Krankheiten seine (auch in der Bibel gegründete) Macht ausübte und mit Anratung einiger Fasttage hilft er manchen Gebrechlichkeiten ab.

Johannesbrunn ist eine Expositur von Hölsbrunn, Expositus ist Simon Kutzer (von 1829 bis 1835). Die Expositur hat zwei Kirchen (Johannesbrunn und Eggenpoint) in denen wechseln die pfarrlichen Gottesdienste. Die hiesige Kirche ist arm, steht unter dem Patrimonialgericht Gerzen, von woher nichts kommt. Die Kirche ist zu klein. Kaum die Hälfte des weiblichen Geschlechts hat in den Stühlen Platz, für die Männer gibt es auf der Empore etwas mehr Raum. Auch liegt diese Kirche tief in der Erde und ist hässlich feucht. Es sind an die 90 Schulkinder hier, die im engen Schulzimmer nicht Raum genug haben. Die Notwendigkeit der Erweiterung derselben ist von der Königlichen Kreisregierung schon anerkannt. In der Feiertagsschule wird von Sonntag zu Sonntag zwischen Knaben und Mädchen gewechselt. Von Westerskirchen gehen die Kinder nach Vilsbiburg zur Schule, einige auch nach Binabiburg. Der Expositus lebt ganz still in seinem Pfarrhause, er hat einigen Blutzehent (Hühner, Enten, Gänse), und die Gläubigen bringen denselben getreulich ins Haus. In Johannesbrunn ereignete sich folgendes: Expositus Joseph Knoll wusste, dass der genügsame Visitator und Weihbischof manchen Tag mit Kartoffeln, Brot und Wasser vorliebnahm. Er nahm an, dass dieser auch in Johannesbrunn kaum mehr essen würde. So schickte er ihm - er selbst lag krank im Bett – sein eigenes Mittagsmahl mit Suppe und Rindfleisch ins Wirtshaus. Wittmann bedankte sich einige Tage später für diese große Aufmerksamkeit. Der Brief erreichte leider den Adressanten nicht mehr, er war inzwischen gestorben. 

Hölsbrunn hat 1284 Seelen, Pfarrer ist seit Februar 1829 Ignaz Heuzer, er war nicht zu Hause. In der Kirche war alles reinlich und wohlgeordnet, nur fand sich auf dem Choraltar ein gebrochener Altarstein. Es brannte am Nachmittag das Licht in der Lampe. An die 90 Schulkinder sind hier, die Schule ist viel zu eng. Und die Schule ist Eigentum des Lehrers, damit ist die Pfarrei eigentlich ohne Schule. Hölsbrunn hat erst seit den 1740ger Jahren einen Pfarrer (Pfarrei seit dem 08.VI.1739).

In der 1678 Seelengemeinde Gerzen ist der Freisingische Geistliche Rat Andreas Fihrer Pfarrer. Er ist seit dem Juni 1817 hier und ist seiner Pfarrei müde, gedenkt sie zu verlassen. Er klagt über wenig Beistand seitens der Polizei, auch über Wirtshausbesuche seiner Kooperatoren, wobei er jedoch seinen jetzigen Joseph Schmidmer nicht nannte. Pfarrer Buchner aus Binabiburg sagt, dass er viel ins Wirtshaus gehe. Die Schulinspektion ist von der Königlichen Regierung dem Benefiziaten Mathias Schuler übertragen. In der Kirche war alles wohlgeordnet, es brannte das Ewige Licht in der Lampe. Die Pfarrbücher sind gut eingeschrieben. Unter 60 Täuflingen waren vor sieben Jahren nur sechs, nun aber auf bis zu 12 Uneheliche angewachsen. Die Feiertagsschülerinnen besuchen die Tanzmusik.

Der letzte visitierte Pfarrort des Dekanats Dingolfing war Loizenkirchen, dann folgte ab Mittwoch den 16. September 1830 die Visitation des Dekanats Frontenhausen.

Loizenkirchen mit 1066 Seelen, Pfarrer ist Pankraz Härtl. In der Kirche ist alles wohl geordnet, nur auf dem Taufstein geht das Bild der Taufe Christi ab. Die Sittlichkeit erscheint nicht lobenswert. Feiertagsschülerinnen gehen zu Tanzveranstaltungen; unter 40 jährlichen Taufen gibt es acht uneheliche Kinder. Die 90 Schulkinder haben in der Schule keinen Platz, die kleineren haben am Vormittag, die größeren am Nachmittag Schulunterricht. Die Taufbücher fangen mit dem Jahr 1648 an und sind fleißig eingeschrieben.

Synode und Ergebnisse

Die Bevölkerung des Bistums Regensburg war zu dieser Zeit, ebenso wie die des ganzen Königreiches Bayern, vorwiegend von Land- und Forstwirtschaft sowie vom Kleingewerbe geprägt, während sich nur an wenigen Orten in der Oberpfalz Industrieansiedelungen befanden.

Nachdem Wittmann das Kapitel Dingolfing und Frontenhausen visitiert hatte, rief er zur zweiten Synodalkonferenz vom 6. Oktober 1830. Hier ergaben sich erhebliche Klagen am frechen Benehmen und den Unsittlichkeiten der erwachsenen Jugend, deren ungehorsam gegenüber Eltern und Obrigkeit, leichtfertige Kleidung, selbst in der Kirche, Missachtung der Kirchengebote, namentlich des Fastens an Freitagen, Viehhüten der Jugend während des sonntäglichen Gottesdienstes, sowie Entheiligung der Sonn- und Feiertage durch zahllose Jahrmärkte an allen Sonn- und Feiertagen, mit ihren Ausgelassenheit. Weitere Klagen von Geistlichen betrafen die amtliche Zulassung von Tanzveranstaltungen in den „verbotenen“ Zeiten, also im Advent und in der Fastenzeit. Unter der Geldverschwendung durch die Warengierigkeit, besonders der Hausfrauen leidet auch Religion und Sittlichkeit. Mit jedem Tag vermehrt sich das Sittenverderbnis: 1. Das Laster der Hurerei und des Ehebruchs werde gar nicht mehr für ein Laster gehalten. 2. Außer den vielen Sonntagstänzen, Vogel- und Scheibenschießen und Kirchweihfeiern sind in einem Umkreis von wenigen Stunden noch über 45 Sonntagsmärkte, auf welchen das zügellose Leben stattfindet. 3. Das Lottospiel, der Malzaufschlag und die Maut haben bisher die Menschen verschlechtert, denn viele sind dadurch um ihre Ehre, um ihr Vermögen und sogar um ihr Leben gekommen.

Zugleich mit der Abnahme der Religiosität machte sich nun, wie immer in der Geschichte der Menschheit, eine erschreckende Sittenlosigkeit breit. Aber auch dem Klerus wird ein Sittenspiegel vor Augen gehalten: Der Priester schuldet es dem filzigen Zeitgeist mit reiner Sittlichkeit im Zölibat, der Mäßigung und Nüchternheit, endlich der Friedensliebe im Pfarrhaus und in der Pfarrei. Wer soll bei pflichtvergessenen Geistlichen nach dem Rechten sehen? Der Kollege, der Dekan?

Die Tätigkeit Wittmanns als Generalvisitator wurde bereits von seinen Zeitgenossen gebührend gewürdigt. Der bedeutende katholische Schriftsteller Michael Adam Stintzel schrieb einen gebührenden Nachruf auf den am 8. März 1833 verstorbenen.

Visitationsberichte sind Spiegelbilder der Zeit. Die ungeschönten Aufzeichnungen geben ein Gesamtbild der Situation und Problematik in den Pfarreien wider.

Nun könnte man gar vieles auch in unsere heutige Zeit hineininterpretieren. Vieles wiederholt sich über Jahrhunderte hinweg immer wieder. Nach grausamen Kriegen kam immer wieder eine gute und wohlhabende Zeit, eine Zeit des Aufbaues, des gegenseitigen Vertrauens. Bei der Visitation des Georg Michael Wittmann vor 180 Jahren war es eine säkularisierte aufgeklärte Menschheit, frei, locker, in Aufbruchstimmung, aber zügellos, unsittlich und pflichtvergessen.


[1] Georg Wittmann, geboren am 22.01.1760 in Finkenhammer b. Pleystein/Opf., gestorben in Regensburg am 8. März 1833.

- Ritter, Emmeram H.: Weihbischof Georg Michael Wittmann als Generalvisitator für das Bistum Regensburg, 1992. Herausgegeben von der Abteilung für Selig- und Heiligsprechungsprozesse beim Bischöflichen Konsistorium für das Bistum Regensburg.

[2] Lipp Joseph, Oberhirtliche Verordnungen und allgemeine Erlasse für das Bistum Regensburg vom Jahre 1250-1852, gesammelt durch Joseph Lipf, Regensburg 1853, S.249.

[3] Brandmayer, Xaver, Iganz: geboren am 26.IV.1770 in Amberg, Priesterweihe am 15.V.1793, V.1806 Pfarrer in Adlkofen, 1829 bekleidete er die Ämter es Dekans des Kapitels Dingolfing, des Distrikts-Schulinspektors, war Bischöflicher Geistliche Rat und Deputierter in Landtag, + 27.X.1854.

[4] Schematismus der Geistlichkeit des Bistums Regensburg für das Jahr 1830.

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